Rechtsanwältin Gudrun Fuchs - LG Chemnitz 29.12.2005: Mithaftung des Ehepartners bei Krediten


Dieses Urteil des Landgericht Chemnitz zeigt, wo die Grenzen der Mithaftung des Ehepartners bei Krediten sind.


                                             Landgericht
                                             Chemnitz


7 0 262/05                                   Verkündet am:
                                             29.12.2005


                  IM NAMEN DES VOLKES



In dem Rechtsstreit

XXXXXXXXX XXXXXXXXX XXXXXXX,
vertr. durch den Vorstandsvorsitzenden XXXXXXXX XXXXXXX und das
Vorstandsmitglied XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
XXXXXX XXXXXXXXXXXXX
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: XXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXX
                        XXXXXXXXXXXXXX
                        XXXXXXXXXXXXXX

    gegen

1)  XXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX
    XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
- Beklagter

2)  XXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX
    XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
- Beklagte

Prozessbevollmächtigte: zu 2    Rechtsanwältin Gudrun Fuchs,
                                Maximilianstraße 14, 93047
                                Regensburg



                   wegen Forderung


erlässt das Landgericht Chemnitz 7. Zivilkammer - durch
Richter am Landgericht XXXXXXXX als Einzelrichter aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 08.12.2005 folgendes


                     Endurteil


I.   Die Klage wird abgewiesen.


II.  Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und der Beklagte
     zu 1) jeweils zur Hälfte. Die Klägerin trägt die
     außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2), der
     Beklagte zu 1) die Hälfte der der Klägerin entstandenen
     außergerichtlichen Kosten. Im übrigen tragen die Parteien
     ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
     110 des zu vollstreckenden Betrages vorläufig
     vollstreckbar.




                    Tatbestand:

Die Klägerin macht Rückzahlungsansprüche gegen die Beklagten
aus dem am 19.1.1996 geschlossenen Darlehensvertrag, Anlage K 1,
geltend.
Nachdem die Beklagten mit den Raten für das Darlehen in
Rückstand gekommen waren und trotz Zahlungsaufforderung der
Klägerin keine Zahlung leisteten, kündigte die Klägerin mit
Schreiben vom 2.3.2001 das Darlehen. Der Beklagte zu 1) hatte
bereits längere zeit vor Abschluss des Darlehensvertrages mit
einem weiteren Geschäftspartner eine Gesellschaft des
bürgerlichen Rechts gegründet. Bereits im Jahr 1994 hatte er
einen Bankkredit über ca. 150.000,-- DM aufgenommen. Ein
Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über
das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurde
mangels Masse abgelehnt. Der Beklagte zu 1) wurde im Anschluss
Geschäftsführer der Firma XXXXXXXXXX, an der auch XXXXXXXXXXXX
XXXXXXX beteiligt war. Da der ursprünglich der Gesellschaft
des bürgerlichen Rechts gewährte Kredit nicht zurückgezahlt
werden konnte, wurde dieser auf die XXXXXXXXXX am 31.7.1995
umgeschuldet. Der Beklagte zu 1) wurde dann vom zuständigen
Sachbearbeiter der Klägerin XXXXXXX aufgefordert, einen eigenen
Kreditvertrag abzuschließen und die Schulden der GmbH zu
übernehmen. Die Beklagte zu 2) sollte den Kreditvertrag mit
unterzeichnen. Im Anschluss erfolgte die Unterzeichnung des
Kreditvertrages am 19.1.1996. Ausweislich des
Verwendungszwecks in Ziffer 2 des Vertrages diente der Vertrag
der Kreditübernahme der Firma XXXXXXXXXXX (ursprüngliche Firma
XXXXXXXXXXXX).

Der Nettokreditbetrag belief sich ausweislich 3.4 des
Vertrages auf 152.000,-- DM- Der effektive Jahreszins belief
sich ausweislich Ziffer 5 auf 8,25 %.

Mit Teilversäumnisurteil vom 6.4.2005 wurde der Beklagte zu 1)
antragsgemäß verurteilt.

Die Klägerin beantragt zuletzt

      die Beklagte zu 2) wird gesamtschuldnerisch verurteilt,
      an die Klägerin einen Betrag von 73.703,23 EUR nebst
      20.061,12 EUR Zinsen seit dem 2.3.01 bis 30.11.04 und
      darüber hinaus 5 Prozentpunkte  über dem Basiszinssatz
      seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

      die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr sei auf Frage, ob ihre
Unterschrift für sie negative Folgen haben könne, vom
zuständigen Mitarbeiter der Klägerin XXXXXXXX versichert worden,
dass ihr nichts passieren könne.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die übernommene
Mithaftung sei wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Das Darlehen
sei nicht ausgezahlt worden. Bereits zum Zeitpunkt der
Unterzeichnung sei die Beklagte weder in der Lage gewesen,
auch nur die Zinsen des Kredites zurückzubezahlen noch
innerhalb von fünf Jahren ein Viertel der Kreditsumme
zurückzuzahlen. Sie habe den Kreditvertrag lediglich deshalb
unterzeichnet, da sie von ihrem Ehemann hierum gebeten wurde.
Ihr Ehemann hätte sonst keinen Kredit erhalten. Die
Unterzeichnung des Darlehensvertrages sei allein aus
emotionaler Verbundenheit zu ihrem Ehemann erfolgt.

Die Klägerin erwidert, der Vortrag der Beklagten zeige, dass
sie über die zugrunde liegenden Zusammenhänge bestens
Bescheid gewusst habe. Ausweislich der eingereichten
Verdienstbescheinigung sei sie sehrwohl in der Lage gewesen,
jedenfalls unter Berücksichtigung des Geschäftsführergehaltes
des Ehemannes das Darlehen zu bedienen.
Die Klägerin habe auch keinerlei Kenntnis von der nunmehr
behaupteten krassen finanziellen Überforderung gehabt.
Darüber hinaus hafte neben dem Beklagten auch der Vater des
Beklagten zu 1) aus der in Ziffer 7 des Darlehensvertrages
erwähnten Bürgschaft.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.


                    Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage gegen die Beklagte zu 2) ist unbegründet.
Die übernommene Mithaftung ist gemäß § 138 BGB unwirksam.

1. Durch die Unterzeichnung des Darlehensvertrages durch die
   Beklagte zu 1) ist diese nicht Darlehensnehmerin geworden,
   sondern ist lediglich der Schuld des Beklagten zu 1)
   beigetreten.
   Die kreditgebende Bank hat es nicht in der Hand, durch im
   Darlehensvertrag gewählte Formulierungen wie "Mitdarlehensnehmerin",
   "Mitantragssteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloß
   Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu
   machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB
   zu entgehen, vgl. BGH, Urteil vom 4.12.2001, Az: XI ZR 56/01.
   Gleichberechtigter Darlehensnehmer ist der Angehörige, hier
   die Ehegattin des Beklagten zu 1) nur dann, wenn insoweit ein
   eigenes Interesse an der Kreditgewährung besteht und der Ehegatte
   auch über die Auszahlung und die Verwendung mit entscheiden darf.
   Nur dann ist der Ehegatte auch Darlehensnehmer.
   Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist es gleichgültig,
   wie die Bezeichnung im Darlehensvertrag lautet, vgl. Palandt,
   65. Aufl., 5 138 Rdnr. 38 a. Der streitgegenständliche Darlehens-
   vertrag, Anlage K 2, diente unstreitig, bestätigt durch den im
   Vertrag angegebenen Verwendungszweck, einer Kreditübernahme
   eines bereits zuvor der Firma XXXXXXXXX gewährten Kredites.
   Der Vertrag diente somit allein der Umschuldung.
   Eine Auszahlung erfolgte nicht, sodass die Beklagte zu 2)
   bereits deshalb über Auszahlung und Verwendung der Mittel
   nicht mit entscheiden konnte. Ebensowenig hatte sie ein
   eigenes Interesse an der Kreditgewährung. Dass die Beklagte
   zu 2) in irgendeiner Weise für die Verbindlichkeiten der
   Firma XXXXXXX bereits vor Abschluss des streitgegenständlichen
   Vertrages einzustehen hatte, wird nicht behauptet.

2. Die Übernahme der Mithaftung ist gemäß 9 138 Abs. 1 BGB
   nichtig. Wird ein Ehegatte durch die von ihm übernommene
   Mithaftung krass überfordert, besteht eine tatsächliche
   Vermutung, dass die Mithaftung ohne rationale Einschätzung
   der Interessenlage und der wirtschaftlichen Risiken aus
   emotionaler Verbundenheit übernommen worden ist und das
   Kreditinstitut die emotionale Beziehung zwischen
   Hauptschuldner und Mithaftenden in anstößiger Weise
   ausgenutzt hat, vgl. BGH a.a.O., Palandt, a.a.O., § 138
   Rdnr. 38 b.

   a) Eine krasse Überforderung ist dann anzunehmen, wenn
      der Mithaftende voraussichtlich nicht einmal die laufenden
      Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag.
      Dies war hier der Fall.
      Die Zinslast,belief sich unter Zugrundelegung des im
      Darlehensvertrag angegebenen effektiven Jahreszins von
      8,25 % bei einem Nettokreditbetrag von 152.000,-- DM auf
      monatlich 1.045,-- DM.

   b) Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen
      Leistungsfähigkeit der Beklagten zu 1) ist allein von
      ihrem eigenen pfändbaren Einkommen und Vermögen
      auszugehen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft,
      jedenfalls gemeinsam mit dem Geschäftsführergehalt
      ihres Ehemannes hätten die Leistungen erbracht werden
      können, ist dieser Einwand nicht erheblich. Bei der
      Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist das Vermögen des
      Ehemanns nicht zu berücksichtigen, vgl. BGH, a.a.0.

   c) Entscheidend ist somit allein, ob die Beklagte zu 2)
      aufgrund ihres eigenen pfändbaren Einkommens und
      Vermögens in der Lage gewesen wäre, die zinsen zu
      zahlen. Dies ist zu verneinen. Die Beklagte zu 2)
      verfügte ausweislich der Anlage K 7 zum Zeitpunkt der
      Übernahme der Mithaftung über ein Nettoeinkommen von
      1.829,51 DM. Soweit sich die Klägerin auf die Auszahlungssumme
      von 2.216,41 DM beruft, erfolgt dies zu Unrecht.
      Enthalten ist in diesem Betrag ausweislich der Abrechnung
      ein Kindergeld von 400,-- DM. Dieses hat bei der Prüfung aber
      unberücksichtigt zu bleiben, vgl. Zöller, 25. Aufl.,
      § 850 e Rdnr. 21.
      Gemäß § 850 c Abs. 1 in der bis 30.6.1998 gültigen
      Fassung war das Arbeitseinkommen bis zur Grenze von
      1.209,-- DM unpfändbar. Zu berücksichtigen ist ferner
      ein Betrag von 468,-- DM für das erste und von 351,-- DM
      für das zweite Kind. Die Beklagte zu 2) verfügte somit
      über kein pfändbares Einkommen und konnte deshalb die
      monatliche Rate von 1.045,-- DM nicht erbringen.

   d) Aufgrund der dargestellten krassen finanziellen
      Überforderung gilt die Vermutung, dass die Beklagte zu
      2) sich aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Ehemann
      auf das wirtschaftlich sinnlose Mithaftungsbegehren
      eingelassen hat. Diese tatsächliche Vermutung wurde von
      der Klägerin nicht widerlegt.

   e) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird
      darüberhinaus vermutet, dass die Ausnutzung dieses
      Umstandes durch das Kreditinstitut in sittlich
      anstößiger Weise erfolgte, vgl. BGH, a.a.O.
      Die Klägerin muss die dargestellte finanzielle
      Leistungsunfähigkeit der Beklagten deshalb als bekannt
      gegen sich gelten lassen. Im Zweifel ist davon auszugehen,
      dass beim Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung,
      das Kreditinstitut die Tatsachen und Verhältnisse schon bei
      Vertragsabschluss kannte oder sich ihnen bewusst verschlossen
      hat. Die von der Klägerin verlangte Unterschrift der
      Beklagten verstößt somit gegen die guten Sitten und ist nichtig,
      138 Abs. 1 BGB. Die Klage war deshalb abzuweisen.
                                                                           

                             II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Bei
der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die
Klägerin im Verhältnis zum Beklagten zu 1) voll obsiegt hat.
Entsprechend hat der Beklagte zu 1) anteilig die Kosten der
Klägerin zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht
auf § 709 ZPO.


XXXXXXXX
RiLG



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